Stand: 20 Juni 2005 | formatLabor

 

 

 

 

[MiniRadio]

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:MiniRadio
[Konzept]
Im Speichermedium können imaginierter Adressat und tatsächlicher Rezipient auseinanderfallen. Deshalb ist es möglich, die Adressierung zur Gestaltung speichermedialer Einheiten zu verwenden, ohne dass damit die Distribution beschränkt oder beeinflusst wird.

MiniRadio ermöglicht durch die Trennung von Sprechenden und Zuhörern eine inszenatorische Führung. Durch MiniRadio wird es möglich, dass der von den Sprechenden imaginierte Adressat sich vom zufällig anwesenden Publikum unterscheidet. Durch den inszenatorischen Einfluss auf die Imagination der Sprechenden kann der Adressat entsprechend dem jeweiligen künstlerischen oder wissenschaftlichen Zweck gestaltet werden. In der anschließenden Diskussion wird eine Vermittlungszone aufgebaut, die es möglich machen soll, das u.U. zunächst Nichtanschlussfähige anschlussfähig werden zu lassen.

Eine derartige Imagination zu etablieren, ist die Aufgabe der Off-Moderation. Auf diese Weise soll die speichermediale Variation nicht von der Logik des (kommunikativen) Anschlusses bestimmt werden. Beispielsweise wäre es möglich, Mittel und Wege zu finden, wie die im abgetrennten Raum Sprechenden dazu gebracht werden, Personen als Adressaten zu imaginieren, denen sie auf hohem theoretischen Niveau Intelligenz unterstellen. Das live übertragene Gespräch könnte sich damit kompromisslos auf den Prozess des gemeinsamen Denkens richten und von der Sorge um Unterhaltung entlastet werden. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass übertragenes und aufgenommenes Gespräch von der Logik des (kommunikativen) Anschlusses und dem Publikumszuspruch bestimmt werden.
Mit der Genauigkeit der Imagination kann innerhalb des MiniRadios experimentiert werden. Beispielsweise wäre es möglich, dass jeder Gesprächspartner nur eine Person als Adressaten imaginiert. Ein weiterer Vorteil des MiniRadios besteht darin, dass die in einem getrennten, akustisch speziell gestalteten Raum entstandenen Aufnahmen in besserer technischer Qualität möglich sind als auf einem Podium. Im MiniRadio haben die Mikrofone die Funktion, die tatsächliche Kommunikation zu übermitteln und können deshalb von den Gesprächsteilnehmern mit größerer Aufmerksamkeit behandelt werden.

Die Dauer des MiniRadios und des anschließend stattfindenden Publikumsgesprächs variieren. Im Hinblick auf spätere etwaige Verwertung als Radiosendung ist es zweckmäßig, innerhalb des MiniRadios 55 Minuten nicht zu überschreiten.

Das Mini-Radio ist eine von uns favorisierte Form für Medientheoretische Dialoge im Liveformat.

Wozu MiniRadio?
Jede Form des Denkens von Veränderung gerät notgedrungen in eine Paradoxie. Die Paradoxie liegt in der Generalisierung des Selektionsmechanismus und besteht darin, dass nur das sich Ein- und Anpassende anschlussfähig ist und erfolgreich sein kann.

Traditionellerweise gab es zwei Möglichkeiten, diese Paradoxie zu handhaben. Die erste, eher künstlerische oder romantisch-hermetische Position ging davon aus, dass sich das Andere und Besondere gegen das Ganze und Falsche (Adorno) verschließen müsse. Die zweite, eher pragmatische Position bestand in der postmodernen Strategie der Affirmation. Während die erste Position Theorie als Flaschenpost an eine ungewisse Zukunft begreift, lässt die zweite Position nur das gelten, was gesellschaftlich über Repräsentation und Anerkennung verfügt.

Solange es die Möglichkeiten, die aus der digitalen Datenverarbeitung und Vernetzung entstanden sind, noch nicht gab, befand sich Fundamentalkritik in einer ausweglosen Situation. Die neuen technischen Möglichkeiten dezentraler Produktion und Distribution ermöglichen einen dritten Umgang mit der oben angesprochenen Paradoxie. Die vielleicht wichtigste Lösung besteht in generativen Archiven, in denen es keinen kategorischen Unterschied zwischen Autoren und Lesern, Darstellern und Publikum gibt. Weitere Möglichkeiten basieren auf Live-Konstellationen mit neu durchdachter kommunikativer Struktur. Hier kann man fragen, was muss vor wem oder was geschützt werden? Was ist der Selektionsmechanismus, dem man in der Regel vorweg greift? Wie kann man sich mit operativen und performativen Mitteln daran hindern, den Selektionsmechanismus zu affirmieren? Welche Adressatenimagination scheint vielversprechend? Wie und wo können Vermittlungszonen, Verführung, Spannung und Dramaturgie und auf das Selbstbild zielende Symbolisierungen etc. eingebaut werden, damit die entstehenden Formen und Formate rezipierbar werden?

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