:MiniRadio
[Konzept]
Im Speichermedium können imaginierter Adressat und tatsächlicher
Rezipient auseinanderfallen. Deshalb ist es möglich, die Adressierung
zur Gestaltung speichermedialer Einheiten zu verwenden, ohne dass
damit die Distribution beschränkt oder beeinflusst wird.
MiniRadio ermöglicht durch die Trennung von Sprechenden und
Zuhörern eine inszenatorische Führung. Durch MiniRadio
wird es möglich, dass der von den Sprechenden imaginierte Adressat
sich vom zufällig anwesenden Publikum unterscheidet. Durch
den inszenatorischen Einfluss auf die Imagination der Sprechenden
kann der Adressat entsprechend dem jeweiligen künstlerischen
oder wissenschaftlichen Zweck gestaltet werden. In der anschließenden
Diskussion wird eine Vermittlungszone aufgebaut, die es möglich
machen soll, das u.U. zunächst Nichtanschlussfähige anschlussfähig
werden zu lassen.
Eine derartige Imagination zu etablieren, ist die Aufgabe der Off-Moderation.
Auf diese Weise soll die speichermediale Variation nicht von der
Logik des (kommunikativen) Anschlusses bestimmt werden. Beispielsweise
wäre es möglich, Mittel und Wege zu finden, wie die im
abgetrennten Raum Sprechenden dazu gebracht werden, Personen als
Adressaten zu imaginieren, denen sie auf hohem theoretischen Niveau
Intelligenz unterstellen. Das live übertragene Gespräch
könnte sich damit kompromisslos auf den Prozess des gemeinsamen
Denkens richten und von der Sorge um Unterhaltung entlastet werden.
Auf diese Weise soll vermieden werden, dass übertragenes und
aufgenommenes Gespräch von der Logik des (kommunikativen) Anschlusses
und dem Publikumszuspruch bestimmt werden.
Mit der Genauigkeit der Imagination kann innerhalb des MiniRadios
experimentiert werden. Beispielsweise wäre es möglich,
dass jeder Gesprächspartner nur eine Person als Adressaten
imaginiert. Ein weiterer Vorteil des MiniRadios besteht darin, dass
die in einem getrennten, akustisch speziell gestalteten Raum entstandenen
Aufnahmen in besserer technischer Qualität möglich sind
als auf einem Podium. Im MiniRadio haben die Mikrofone die Funktion,
die tatsächliche Kommunikation zu übermitteln und können
deshalb von den Gesprächsteilnehmern mit größerer
Aufmerksamkeit behandelt werden.
Die Dauer des MiniRadios und des anschließend stattfindenden
Publikumsgesprächs variieren. Im Hinblick auf spätere
etwaige Verwertung als Radiosendung ist es zweckmäßig,
innerhalb des MiniRadios 55 Minuten nicht zu überschreiten.
Das Mini-Radio ist eine von uns favorisierte Form für Medientheoretische
Dialoge im Liveformat.
Wozu MiniRadio?
Jede Form des Denkens von Veränderung gerät notgedrungen
in eine Paradoxie. Die Paradoxie liegt in der Generalisierung des
Selektionsmechanismus und besteht darin, dass nur das sich Ein-
und Anpassende anschlussfähig ist und erfolgreich sein kann.
Traditionellerweise gab es zwei Möglichkeiten, diese Paradoxie
zu handhaben. Die erste, eher künstlerische oder romantisch-hermetische
Position ging davon aus, dass sich das Andere und Besondere gegen
das Ganze und Falsche (Adorno) verschließen müsse. Die
zweite, eher pragmatische Position bestand in der postmodernen Strategie
der Affirmation. Während die erste Position Theorie als Flaschenpost
an eine ungewisse Zukunft begreift, lässt die zweite Position
nur das gelten, was gesellschaftlich über Repräsentation
und Anerkennung verfügt.
Solange es die Möglichkeiten, die aus der digitalen Datenverarbeitung
und Vernetzung entstanden sind, noch nicht gab, befand sich Fundamentalkritik
in einer ausweglosen Situation. Die neuen technischen Möglichkeiten
dezentraler Produktion und Distribution ermöglichen einen dritten
Umgang mit der oben angesprochenen Paradoxie. Die vielleicht wichtigste
Lösung besteht in generativen Archiven, in denen es keinen
kategorischen Unterschied zwischen Autoren und Lesern, Darstellern
und Publikum gibt. Weitere Möglichkeiten basieren auf Live-Konstellationen
mit neu durchdachter kommunikativer Struktur. Hier kann man fragen,
was muss vor wem oder was geschützt werden? Was ist der Selektionsmechanismus,
dem man in der Regel vorweg greift? Wie kann man sich mit operativen
und performativen Mitteln daran hindern, den Selektionsmechanismus
zu affirmieren? Welche Adressatenimagination scheint vielversprechend?
Wie und wo können Vermittlungszonen, Verführung, Spannung
und Dramaturgie und auf das Selbstbild zielende Symbolisierungen
etc. eingebaut werden, damit die entstehenden Formen und Formate
rezipierbar werden?
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